89. Komm, laß uns Jesum sterben sehen

1 Komm, laß uns Jesum sterben sehen,
Mein herz! sieh hin nach Golgotha,
Auf dessen fürchterlichen höhen
Einst Gottes größtes werk geschah.
Erwäg' an diesem heil'gen orte
Des sterbenden Erlösers Worte,
Und rufe Gott im glauben an.
Sie können dir viel Trost im Leben
Und einst noch Trost im Tode geben
wenn hier dich nichts mehr trösten kann.

2 Geduldig bey dem größten schmerzen
Nimmt er sich seiner feinde an,
Und ruft mit sanstmuthsvollem herzen:
Sie wissen nicht, was sie gethan.
Der göttliche, der größte betet
Fleht liebreich noch für Missetäter,
Werkzeuge seiner lein und Schmach.
Mensch, wenn dich fach und Zorn verführen,
Laß dich durch dieses beyspiel rühren,
Und bete deinem Heiland nach!

3 Welch beyspiel kindlich frommer tribe,
Als, unter leiden ohne zahl,
Der Herr dem jünger seiner liebe
Die mutter sterbend noch empfahl.
Ach! wird mein aug' einst um die meinen
In meinen letzten stunden weinen;
So soll dies wort mir Trost verleih'n!
Der, als der Tod schon um ihn schwebte,
Die seinen noch zu schützen strebte,
Wird auch der meinen Pfleger sein.

4 Wer kann die hohen leiden fassen,
Als Christus an dem kreuze rief:
Mein Gott, wie hast du mich verlassen!
Wie beuget ihn die last so tief,
Die unsre Sünden auf ihn brachten!
Vor angst und lein müßt er verschmachten,
War Gott nicht seine Zuversicht.
Herr, der für mich zum Tod gegangen,
Mein Herr und Gott verlaß mich nicht!

5 Der Herr des Himmels und der erde,
Von allem Labsal jetzt entblößt,
Wünscht, daß sein durst gestillte werde.
O mensch, der dich so theu'r erlöst,
Der Heiland rufet dir noch heute
In armen, die an deiner Seite
Auch hunger, durst und mangel drückt.
O selig, wer den ruf erfüllet!
Denn wer des armen mangel stillet,
Der hat den Heiland selbst erquickt.

6 Nun enden sich die schweren leiden;
Der Heiland spricht:
Es ist vollbracht!
O wort des sieges! wort der Freuden!
Du nimmst dem Tode seine macht.
Heil uns!
Wer darf es nun wohl wagen,
Uns, die erlösten, zu verklagen?
Der friede ist mit Gott gemacht.
Gieb, daß am ende meiner tage
Auch ich, o Herr! mit Freuden sage:
Es ist vollbracht! es ist vollbracht!

7 Das lezte wort aus deinem munde,
Herr Jesu, soll auch meines sein!
Laß es in meiner Todesstunde
Mir muth und Zuversicht verleih'n!
Du rufest: Vater, ich befehle
In deine Hände meine Seele,
Die allen menschen heil erwarb.
Nun war das grosse werk vollendet,
Wozu der Vater ihn gepsendet,
Nun neigte er sein haupt un starb.

8 Mensch kannst du ohne fromme Zähren
Den Heiland Gottes sterben seh'n?
Mußt du ihn nicht mit Freuden ehren?
Und willig seinen ruhm erhöh'n?
O weine fromm bey seinen plagen,
Und fröhlich sieh ihn nach dreh tagen
Aus seinem grabe ausersteh'n!
Und wenn ihn Spötter hier den verklärten
Zur rechten Gottes wieder seh'n.

Text Information
First Line: Komm, laß uns Jesum sterben sehen
Language: German
Publication Date: 1817
Topic: Vom Leiden und Tod Jesu (Passions Lieder): Die letzten Worte Jesu
Notes: Mel. Wie wohl ist mir, o u.
Tune Information
(No tune information)



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