82. Seht, welch ein mensch!

1 Seht, welch ein mensch!
Wie lag so schwer
Auf ihm die last der Sünder!
Wie unaussprechlich duldet er
Für euch, ihr menschenkinder!
So leiden sah von Anbeginn
Die erde keinen je, als ihn:
So wird auch keiner leiden.

2 Der Sohn des Höchsten und selbst Gott,
Ein Helfer ein gerechter,
Ward frecher missethäter spott
Und seines Volks Gelächter.
Wie ein Verbrecher stund er da,
Verklagt, verleumdet! wer ihn sah,
Der sah ihn mit Verachtung.

3 Ganz unbegränzt war ihre muth,
Den Heiligsten zu plagen.
Bedeckt mit Striemen und mit Blut,
Zer geisselt und zerschlagen,
Mit einem Dornenkranz gekrönt,
In konigskleidern ausgehöhnt,
Stand er vor seinen seinden.

4 Den heiden, der sein richter war,
Ergriss ein menschlich schrecken;
Er stellt ihn seinen Brüdern dar,
Ihr mitleid zu erwecken.
Seht, welch ein mensch! ich kann ihn nicht
Verdammen, denn die Unschuld spricht
Zu mächtig für sein leben.

5 Vergeblich, ach! vergeblich war
Die Menschlichkeit des heiden;
Die aufgebrachte wilde schaar
Sah Jesu schmach mit freuden.
Sein Tod befriedigt sie allein;
Sie stürmten auf den richter ein,
Und schrie'n: ersterb am kreuze.

6 Du denkest ohne schaudern nie
An dieses wort der Sünder;
Du spricht: die rache straste sie,
Und straft noch ihre kinder.
Doch Seele, denkst du auch dabei
An deine sünden? bist du Frey
Von schuld am Tode Jesu?

7 Sieh! welch ein mensch!
Er wird für dich
Verschmähet und zerschlagen!
Hör' ihn, er spricht: ich selber, ich
Muß deine Sünde ist dein! durch meinen Tod
Versöhn' ich, Sünder, dich mit Gott,
Und sterb' um deinetwillen.

8 O hochgelobter Gottessohn,
Du tilget meiner Sünden,
Erhöht auf deines Vaters thron,
Ach laß mich gnade finden!
Laß deines todes Schmach und pein
Gerechtigkeit und heil mir sein,
Um diner liebe willen.

9 Ich schwöre, Welterlöser, dir,
Und ewig will ich's halten:
So wahr du lebest, soll in mir
Nie deine lieb' erkalten!
Dein leiden und dein tod soll mich,
So lang ich lebe, Herr, an dich
Und deine lieb' erinnern.

10 Lockt mich die welt, lockt Fleisch und Blut
Mich auf den weg der sünde;
So rüste mich mit kraft und muth,
Daß ich sie überwinde.
Dann rufe du mir liebreich zu:
Denk, welch ein mensch ich war! und du,
Du wolltest mich nicht lieben?

Text Information
First Line: Seht, welch ein mensch!
Language: German
Publication Date: 1817
Topic: Vom Leiden und Tod Jesu (Passions Lieder): Jesus vor dem weltlichen Gericht und Verurtheilung zum Tode
Notes: Mel. Herr Jesu Christ du h. u. Oder: Es ist gewißlich an der u.
Tune Information
(No tune information)



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