1 Mein Heiland nimmt die Sünder an,
die unter ihrer Last der Sünden
kein mensch, kein Engel trösten kann,
die nirgends Ruh und Rettung finden,
den'n selbst die weite Welt zu klein,
die sich und Gott ein Gräuel sei'n,
den'n Moses schon den Stab gebrochen
und sie der Höllen zugesprochen,
wird diese Freistatt aufgethan:
mein Heiland nimmt die Sünder an.
2 Sein mehr als mütterliches Herz
trieb ihn von seinem Thron auf Erden:
ihn drang der Sünder Weh und Schmerz,
an ihrer Statt ein Fluch zu werden;
er senkte sich in ihre Noth
und schmeckte den verdienten Tod.
Nun da er denn sein eigen Leben
zur theuren Zahlung hingegeben
und seinem Vater g'nug gethan,
so heißt's: er nimmt die Sünder an.
3 Nun ist sein aufgethaner Schooß
ein sichres Schloß gejagter Seelen;
er spricht sie von dein Urtheil los,
und tilget bald ihr ängstlich Quälen;
es wird ihr ganzes Sündenheer
in's unergründlich tiefe Meer
von seinem reinen Blut versenket.
Der Geist, der ihnen wird geschenket,
schwingt über sie die Gnadenfahn.
Mein Heiland nimmt die Sünder an.
4 So bringt er sie dem Vater hin,
in seinen blutbefloßnen Armen;
das neiget denn den Vatersinn
zu lauter ewigem Erbarmen;
er nimmt sie an an Kindesstatt,
ja Alles, was er ist und hat,
wird ihnen eigen übergeben,
und selbst die Thür zum ewgen Leben
wird ihnen fröhlich aufgethan.
Mein Heiland nimmt die Sünder an.
5 O, soltest du sein Herze sehn,
wie sich's nach armen Sündern sehnet,
sowohl wenn sie noch irre gehn,
als wenn ihr Auge vor ihm thränet!
Wie streckt er sich nach Zöllnern aus!
Wie eilt er in Zachäi Haus!
Wie sanft stillt er der Magdalenen
den milden Fluß erpreßter Thränen,
und denkt nicht, was sie sonst gethan!
Mein Heiland nimmt die Sünder an.
6 Wie freundlich blickt er Petrum an,
ob er gleich noch so tief gefallen!
Nun, dies hat er nicht nur gethan,
da er auf Erden mußte wallen,
nein, er ist immer einerlei:
gerecht und fromm und ewig treu;
und wie er unter Schmach und Leiden,
so ist er auf dem Thron der Freuden
den Sündern liebreich zugethan.
Mein Heiland nimmt die Sünder an.
7 So komme denn, wer Sünder heißt
und wen sein Sündengräu'l betrübet,
zu dem, der keinen von sich weißt,
der sich gebeugt zu ihm begiebet.
Wie? willst du dir im Lichte stehn
und ohne Noth verloren gehn?
Willst du der Sünde länger dienen
da dich zu retten er erschienen?
O nein, verlaß die Sündenbahn!–
Mein Heiland nimmt die Sünder an.
8 Komm nur mühselig und gebückt,
komm nur so gut du weißt zu kommen;
wenn gleich die Last dich niederdrückt,
du wirst auch kriechend angenommen.
Sieh wie sein Herz dir offen steht
und wie er dir entgegen geht!
Wie lang hat er mit vielem Flehen
sich brünstig nach dir umgesehen!
So komm denn, armer Wurm, heran:
mein Heiland nimmt die Sünder an.
9 Sprich nicht: ich hab's zu grob gemacht,
ich hab die Güter seiner Gnaden
so lang und schändlich umgebracht;
er hat mich oft umsonst geladen.
Wofern du's nur jetzt redlich meinst
und deinen Fall mit Ernst beweinst,
so soll ihm nichts die Hände binden;
und du sollst noch Genade finden.
Er hilft, wenn sonst nichts helfen kann;
mein Heiland nimmt die Sünder an.
10 Doch sprich auch nicht: Es ist noch Zeit,
ich muß erst diese Lust genießen;
Gott wird ja eben nicht gleich heut
die offne Gnadenpforte schließen.
Nein, weil er ruft, so höre du,
und greif mit beiden Händen zu.
Wer seiner Seelen Heil verträumet,
der hat die Gnadenzeit versäumet,
ihm wird hernach nicht aufgethan.
Heut komm, heut nimmt dich Jesus an.
11 Ja, zeuch uns selbsten recht zu dir,
holdselig süßer Freund der Sünder;
erfüll mit sehnender Begier
Auch uns und alle Adamskinder.
Zeig uns bei unserm Seelenschmerz,
Dein aufgespaltnes Liebesherz;
Und wenn wir unser Elend sehen,
So laß uns ja nicht stille stehen,
Bis daß ein jeder sagen kann:
Gott Lob, auch mich nimmt Jesus an!
Text Information | |
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First Line: | Mein Heiland nimmt die Sünder an |
Author: | Fr. Lehr, 1709-1744 |
Language: | German |
Publication Date: | 1872 |
Topic: | Bußlieder; Penitential Hymns |
Notes: | Mel. Mein Heiland nimmt die Sünder an |