167. Weg, mein herz, mit den gedanken

1 Weg, mein herz, mit den gedanken,
Als ob du verstossen wärst,
Bleib in Gottes wort und schranken,
Da du anders reden hörst;
Bist du bös und ungerecht,
Ey so ist Gott fromm und schlecht:
Hast du zorn und tod verdienet,
Sinke nicht, Gott ist versöhnet.

2 Du bist wie die menschen alle
Angesteckt mit sünden-gift,
Welches Adam mit dem falle,
Sammt der schlangen hat gestift;
Aber so du kehrst zu Gott,
Und dich besserst, hats nicht noth:
Sey getrost, Gott wird dein flehen
Und abbitten nicht verschmähen.

3 Er ist ja kein bär noch löwe,
Der sich nur nach blute sehnt:
Sein herz ist zu lauter treue
Und zur sanftmuth angewehnt:
Gott hat einen vatersinn,
Unser jammer jammert ihn,
Unser unglück ist sein schmerze,
Unser sterben kränkt sein herze.

4 So wahrhaftig als ich lebe,
Will ich keiner menschen tod,
Sondern daß er sich ergebe
An mich, aus dem sünden koth.
Gottes freud ist, wenn auf erd
Ein verirrter wiederkehrt,
Will nicht daß aus seiner heerde
Das geringst entzogen werde.

5 Kein hirt kan so fleißig gehen
Nach dem schaf, das sich verläuft;
Sollst du Gottes herze sehen,
Wie sich da der kummer häuft,
Wie es dürstet, lechzt und brennt
Nach dem, der sich abgetrennt
Von ihm und auch von den seinen,
Würdest du vor liebe weinen.

6 Gott, der liebt nicht nur die frommen,
Die in seinem hause seynd,
Sondern auch die ihm genommen
Durch den grimmen seelen-feind,
Der dort in der höllen sitzt
Und der menschen herz erhitzt
Wider den, der, wenn sich reget
Sein fuß, alle welt beweget.

7 Dennoch bleibt in liebes-flammen
Sein verlangen allzeit groß,
Ruft und locket uns zusammen
In den weiten himmels-schooß:
Wer sich nur da stellet ein,
Suchet frey und los zu seyn
Aus des satans reich und rachen,
Der macht Gott und engel lachen.

8 Gott und alles heer hoch droben,
Dem der himmel schweigen muß,
Wenn sie ihren schöpfer loben,
Jauchzen über unsre buß:
Aber was gesündigt ist,
Das verdeckt er und vergißt,
Wie wir ihn beleidigt haben:
Alles, alles ist vergraben.

9 Kein see kan sich so ergiessen,
Kein grund kan so grundlos seyn,
Kein strom so gewaltig fliessn,
Gegen Gott ist alles klein,
Gegen Gott und seine huld,
Die er über unsre schuld
Alle tage lässet schweben,
Durch das ganze sünden-leben.

10 Nun so ruh und sey zufrieden,
Seele, die du traurig bist,
Was wilst du dich viel ermüden,
Da es nicht von nöthen ist?
Deiner sünden grosses heer,
Wie es scheinet, ist nicht mehr,
Gegen Gottes herz zu sagen'
Als was wir mit fingern tragen.

11 Wären tausend welt zu finden
Von dem höchsten zugericht,
Und du hättest alle sünden,
So darinnen sind, verricht;
Wär es viel, doch lange nicht
So viel, daß das helle licht
Seiner gnaden hier auf erden,
Dadurch könt erlöschet werden.

12 Mein Gott, öfne mir die pforten
Solcher gnad und gütigkeit
Laß mich allzeit aller orten
Schmecken deine süßigkeit:
Liebe mich und treib mich an,
Daß ich dich, so gut ich kan,
Wiederum umfang und liebe,
Und ja nun nicht mehr betrübe.

Text Information
First Line: Weg, mein herz, mit den gedanken
Language: German
Publication Date: 1826
Topic: Von der Liebe Gottes und Christi; The Love of God and Christ
Notes: Mel. Zion klagt mit angst.
Tune Information
(No tune information)



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