184. So führst du doch recht selig, Herr, die deinen

1 So führst du doch recht selig, Herr, die deinem
Ja selig, und doch meistens wunderlich!
Wie köntest du es böse mit uns meynen,
Da deine treu nicht kan verleugnen sich?
Die wege sind oft krumm, und doch gerad,
Darauf du läß'st die kinder zu dir gehen,
Da pilger es wunderseltsam auszusehn:
Doch triumphirt juletzt dein hoher rath.

2 Dein Geist hängt nie an menschlichen gesetzen,
So die vernunst und gute meynung stellt.
Den zweifels-knoten kan dein schwerdt verletzen
Und lösen auf, nachdem es dir gefällt.
Du reissest wohl die stärksten band entzwey:
Was sich entgegen setzt, muß sinken hin;
Ein wort bricht oft den allerhärtsten sinn,
Dann geht dein fuß auch durch unwege frey.

3 Was unsre klugheit will zusammen fügen,
Theilt dein verstand in oft und westen aus:
Was mancher unter joch und last will biegen,
Setzt deine hand frey an der sternen haus.
Die welt zerrießt, und du verknüpfst in kraft:
Sie bricht, du baust, sie baut, du reissest ein;
Ihr glanz muß dir ein dunkler schatten seyn.
Dein Geist bey todten kraft und leben schafft.

4 Will die vernunst was fromm und selig preisen,
So hast du's schon aus deinem buch gethan:
Wem aber niemand will dis zeugniß weisen,
Den führst du in der still selbst himmel an.
Den tisch der Pharisäer läß'st du stehn,
Und speisest mit den sündern, sprichst sie frey;
Wer weiß, ws öfters deine absicht sey?
Wer kan der tiefsten weisheit abgrund sehn?

5 Was alles ist, gilt nichts in deinen augen;
Was nichts ist, hast du, grosser Herr, recht lieb.
Der worte pracht und ruhm mag dir nicht taugen,
Du giebst die kraft und nachdruck durch den trieb.
Die besten werke bringen dir kein lob,
Sie sind versteckt, der blinde geht vorbey,
Wer augen hat, steht sie doch nicht so frey,
Die sachen sind zu klar, der sinn zu grob.

6 O Herrscher! sey von uns gebendeyet,
Der du uns tödrest und lebendig machst.
Wenn uns dein Geist der weisheit schatz verleihet,
So sehn wir erst, wie wohl du für uns machst.
Die weisheit spielt bey uns, wir spielen mit,
Bey uns zu wohnen ist dir lauter lust,
Die reget sich in deiner Vater-brust,
Und gängelt uns mit zarten kinder-schritt.

7 Bald scheinst du uns washarte anzugreisen,
Bald fährest du mit uns ganz säuberlich:
Geschichts daß unser sinn sucht auszuschweisen,
So weis't die zucht uns wieder hin auf dich.
Da gehn wir denn mit blöden augen hin,
Du küssest uns; wir sagen beßrung zu.
Drauf schenkt dein Geist dem herzen wieder ruh,
Und hält im zaun den ausgeschweisten sinn.

8 Du kennst, o Vater, wohl das schwache wesen,
Die ohnmacht und der sinnen unverstand:
Man kan uns fast an unsrer stirn ablesen,
Wie es um schwache kinder sey bewandt,
Drum greifst du zu, und hältst und trägest sie,
Brauchst vater-recht und zeigest mutter-treu:
Wo niemand meynt, daß etwas deine sey,
Da hegst du selbst dein schäfchen je und je.

9 Also gehst du nicht die gemeinen wege,
Dein fuß wird selten öffentlich gesehn,
Damit du sehst, was sich im herzen rege,
Wenn du in dunkelheit mit uns wilt gehn:
Das wiederspiel legst du vor augen dar
Von dem was du in deinem sinne hast.
Wer meynt, er hag den vorsatz recht gefaßt,
Der wird am end ein anders oft gewahr.

10 O Auge, das nicht trug noch heucheln leidet!
Gib mir der klugheit scharfen unterscheld,
Dadurch natur von gnade wird entscheidet,
Das eigne licht von deiner heiterkeit.
Laß doch mein herz dich niemals meistern nicht:
Brich ganz entzwey den willen der sich liebt:
Erweck die lust die sich nur dir ergibt,
Und tadelt nie dein heimliches gericht.

11 Will etwa die vernunst dir widersprechen,
Und schüttelt ihren kopf zu deinem weg,
So wollst du die bevestung wieder brechen,
Daß ihre höh sich nur bey zeiten leg.
Kein fremdes feuer sich in mir anzünd',
Das ich vor dir in thorheit bringen möcht,
Und dir wohl gar so zu gefallen dacht!
Ach! selig, der dein licht ergreist und findt.

12 So ziehe mich denn recht nach deinem willen,
Und trag, und beg, Und führ dein armes kind!
Dein inners zeugniß soll den zweisel stillen;
Dein geist die furcht und lüfte überwind.
Du bist mein alles, denn dein Sohn ist mein.
Dein Geist reg' sich ganz kräftiglich in mir!
ich brenne nun nach dir in liebs-begier,
Wie oft erquickt mich deiner klatheit schein!

13 Drum muß die creatur mir immer dienen,
Kein engel schämt nun der gemeinschaft sich:
Die geister, die vor dir vollendet grünen,
Sind meine brüder, und erwarten mich.
Wie oft erquicket meinen geist ein herz
Das dich und mich und alle Christen liebt!
Ists möglich daß mich etwas noch betrübt?
Komm, freuden quell! weich ewig aller schmerz.

Text Information
First Line: So führst du doch recht selig, Herr, die deinen
Language: German
Publication Date: 1826
Topic: Von göttlicher Vorsorge und Regierung; Divine Providence and Government
Notes: Mel. Jehova ist mien licht.
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