103. Ursach das bittern Leidens Jesu Christi, und Trost aus seiner Lieb und Gnade

1 Herzliebster Jesu, was hast Du verbrochen,
daß man ein solch scharf Urtheil hat gesprochen?
Was ist die Schuld? In was für Missethaten
bist Du gerathen?

2 Du wirst verspei't, geschlagen und verhöhnet,
gegeißelt und mit Dornen scharf gekrönet:
Mit Essig als man Dich ans Kreuz gehenket,
wirst du getränket.

3 Was ist die Ursach aller solcher Plagen?
Ach! meine Sünden haben Dich geschlagen!
Ich, ach Herr Jesu! habe dies verschuldet,
was Du erduldet.

4 Wie wunderbarlich ist doch diese Strafe,
der gute Hirte leidet für die Schaafe.
Die Schuld bezahlt der Herre, der Gerechte,
für seine Knechte.

5 Der Fromme stirbt, der recht und richtig wandelt,
der Böse lebt, so wider Gott mißhandelt.
Der Mensch verwirkt den Tod, und ist entgangen:
Gott wird gefangen.

6 Ich war von Fuß auf voller Schand und Sünden,
bis zu dem Scheitel war nichts Gut's zu finden,
dafür hätt' ich dort in der Höllen müssen
ewiglich büßen.

7 O große Lieb', o Lieb ohn' alle Maaße,
die Dich gebracht auf diese Marter-Straße.
Ich lebte mit der Welt in Lust und Freuden.
und Du mußt leiden!

8 Ach! großer König, groß zu allen Zeiten,
wie kann ich gnugsam solche Treu ausbreiten!
kein menschlich Herze mag ihm dies ausdenken,
was Dir zu schenken.

9 Ich kann's mit meinen Sinnen nicht erreichen,
mit was doch Dein' Erbarmung zu vergleichen,
wie kann ich Dir denn Deine Liebes-Thaten
im Werk erstatten?

10 Doch ist noch etwas, das Dir angenehme:
wenn ich des Fleisches Lüste dämpf' und zähme;
daß sie aufs neu' mein Herze nicht entzünden
mit alten Sünden.

11 Weil aber dies nicht steht in eig'nen Kräften,
fest die Begierden an das Kreuz zu heften;
so gieb mir Deinen Geist, der mich regiere,
zum Guten führe.

12 Alsdann so werd' ich Deine Huld betrachten,
aus Lieb' an Dich, die Welt für nichtes achten.
Ich werde mich bemühen Deinen Willen
stets zu erfüllen.

13 Ich werde Dir zu Ehren alles wagen:
Kein Kreuz nicht achten, keine Schmach und Plagen,
nichts von Verfolgung, nichts von Todes-Schmerzen
nehmen zu Herzen.

14 Dies alles, ob's für schlecht zwar ist zu schätzen,
wirst Du es doch nicht gar bei Seite setzen.
In Gnaden wirst Du dieß von mir annehmen,
mich nicht beschämen.

15 Wenn dort, Herr Jesu, wird für Deinem Throne,
auf meinen Haupte stehn die Ehren-Crone:
da will ich Dir, wenn alles wird wohl klingen,
Lob und Dank singen.

Text Information
First Line: Herzliebster Jesu, was hast Du verbrochen
Title: Ursach das bittern Leidens Jesu Christi, und Trost aus seiner Lieb und Gnade
Author: Johann Heermann (1647)
Language: German
Publication Date: 1848
Topic: Vom Leiden, Sterben und Begräbniß unsers Herrn Jesu Christi; Suffering, Dying and Burial of Christ
Source: Aus Augutini Meditationibus, Cp. 7
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