17. Du forschest mich!

1 Du forschest mich!
O Herr wie wunderlich?
prüfst du mich innerlich,
und meinen Sinnen.
Was ich begeh',
ich liege oder steh'
geschicht in deiner Näh',
das werd ich innen!

2 O Herr mein Licht!
was meine Zunge spricht
ist dir verborgen nicht,
eh' ich es mercke,
und hab bedacht,
ist's schon herfür gebracht,
und steht in deiner Macht,
durch deine Werke!

3 Dein Angesicht
ist stets auf mich gericht,
und ich begreife nicht,
was ich verstehe;
weil ich so gar
vor dir bin offenbar,
was ich jetzt bin und war,
und wie mir's gehen!

4 Wo soll ich in?
der ich dein Stäublein bin,
Es schmelzet Witz und Sinn,
vor deinem Lichte.
Dein Geist fürwahr
macht aller Orten klar,
was Längst verborgen war
durch dein Gerichte!

5 Wann ich von hir,
Herr, in den Himmel führ,
so ist allda vor mir
dein Angelsichte;
und wann die Seel
sich bettetin der Holl
so find sie dein Befehl,
und dein Gerichte.

6 Wann ich behend
mit Flüglen fliegen könt
bis an dos äusserst End
von dem Welt-Meere;
so wär mein Stand
dir dennoch wohl bekant;
und deine rechte Hand
würde mich führen.

7 Spräch ich: es muß
mich decken Finsternuß;
so ist der Ueberfluß
des Lichts viel grösser.
Vor Dir ist Nacht
wie heller Tag geacht,
durch deine Lichtes-Macht,
o mein Erlöser!

8 Die Nieren mein,
in deiner Macht auch seyn;
du bist mein Gott allein,
und was zum Leben
nur kommt herfür,
dem ist wie ich es spühr,
o Herr, die Kraft von dir,
darzu gegeben!

9 Ich danke dir,
der du warst über mir,
daß du mich bracht herfür:
recht wunderbarlich,
bin ich gemacht.
Wer deine Werke acht,
sieht deiner Weisheit Pracht
ganz offenbarlich!

10 Ach, mein Gebein!
Kont' nicht verborgen seyn,
vor dir, mein Herr, o nein!
da ich aus Erden
gebildet ward;
es war Gestalt und Art
vor dir schon offenbart,
was ich sollt werden!

11 Du hat mich schon
erkannt in deinem Sohn;
und ich wust nichts davon,
war unbereitet,
die Tage mein
ins Buch geschrieben ein,
wie viel sie solten seyn,
zuvor bedeutet.

12 Wann ich betract,
und fleißig nehm in acht,
die winder deiner Macht,
und deiner Werke:
so sinkt mein Sinn,
in eine Tiefe hin,
da ich verloren bin,
eh' ich es merke!

13 Du bringst in mir
gedanken selbst herfür,
viel mehr als ich verspür,
und kan erkennen;
dann, ihre Zahl,
ist grösser überall,
als ich allhier im Thal
vermag zu nennen!

14 Mehr als der Sand,
zeigt in mir dein Verstand;
Sind Werkt deiner Hand,
wolt ich sie zählen;
wär ihre Zahl,
unendlich überall:
weil mir dein Lichtes-Stral
nichts thut verheelen!

15 Ich schlafe ein,
o Herr! mit Dir allein
kan ich vertraulich seyn,
wann ich erwache;
ist noch bey dir,
des Herzens Lust-Begier:
dein Nah' seyn bleibet mir
die beste Sache!

16 Es sterbe bald,
die gottlose Gewalt,
der Sünder mannigfalt;
daß von mir weiche,
Blutdürstigkeit,
und Unbrmherzigkeit,
samt aller Grausamkeit,
aus Satans Reiche.

17 Wann man vor mir,
spricht lästerlich von Dir;
Entsetz ich mich dafür:
dann, deine Feinde
erheben sich,
ohn' Ursach wider dich,
Und das verdrieset mich,
und dein Freunde!

18 Ich hasse die,
die mit so vile Müh,
dein Gnaden-Reich allhie
Aengstlich beneiden;
und sie sind mir
entsetzlich gram dafür,
und können mich allhier
fast nicht mehr leiden.

19 Erforsche mich,
und prüse selbst wie ich
von Herzen innerlich
es vor dir meyne.
Sieh' ob ich bin
auf bösen Weg. Nimm hin
von mir den Eigensinn,
und was unreine.

20 Dein Recht und Licht,
Verlaß mich niemals nicht;
Damit dein Angesicht
mich ewig leite,
nach deinem Rath,
den deine hohe Gnad
für uns verordnet hat
zur Himmels-Freude.

Text Information
First Line: Du forschest mich!
Language: German
Publication Date: 1792
Notes: Mel. Brich an mein Licht
Tune Information
(No tune information)



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