1 Denket doch ihr Menschen-Kinder,
an den letzten Todes-Tag;
denket doch, ihr frechen Sünder,
an den letzten Glocken-Schlag.
Heute sind wir frisch und stark,
morgen füllen wir den Sarg,
und das Ansehn das wir haben,
wird zugleich mit uns begraben.
2 Doch, wir drummen Menschen sehen
nur was in die Augen fällt;
was nach diesem soll geschehen,
bleibt an seinen Ort gestellt.
An der Erden kleben wir,
leyder! über die Gebühr;
aber nach dem andern Leben
will der Geist sich nicht erheben.
3 Wo ihr euch nicht selber hasset,
ach so legt die Thorheit ab,
was ihr thut und was ihr lasset,
so gedenkt an euer Grab.
Ewig Glück und Ungelück
hangt an einem Augenblick,
niemand kan uns Bürgen geben,
daß wir Morgen noch erleben.
4 Ungewissenhafte Leute
zittern für der Todes-Pein,
gute Christen wollten heute
lieber aufgelöset seyn,
denn sie wissen, daß der Tod
ist ein Ausgang aller Noth,
und gemahlte Todten-Köpfe,
sehn sie an als Blumen-Töpfe.
5 Vor der Sünde soll man zittern,
weil sie Gottes Zorn entzündt;
aber nicht vor Leichen=Bittern,
welches gute Boten sind.
Einmal müssen wir daran,
lieber bald darzu gethan,
laßt uns lernen sterben,
daß wir morgen nicht verderben.
6 Was hilft doch ein langes Leben,
ohne Buß und Besserung?
wer nicht will nach Tugend streben,
ach, der sterbe lieber jung.
Uns're Bosheit nimmt nicht ab,
sondern mehrt sich bis ins Grab;
wird man frey von Sünden nimmer,
wird man alle Tage schlimmer.
7 Daß doch nur ein Tag des Lebens
mögte frey von Sünden seyn!
doch mein Wünschen ist vergebens,
unter uns ist neimand rein.
Beicht und Abendmahl genung,
doch wo bleibt die Besserung?
Scherz habt ihr mit Gott getrieben,
und seyd unverändert blieben.
8 Langes Leben, grosse Sünde,
grosse Sünde, schwerer Tod;
lernet das an einem Kinde,
dem ist Sterben keine Noth.
Selig, wer bey guter Zeit
sich auf seinen Tod bereit't,
und so oft die Glocke schläget,
seines Lebens Ziel erwäget.
9 Eine jede Kranken-Stube
kan uns eine Schule seyn:
fährt ein andrer in die Grube,
warlich ihr müßt auch hinein;
stehst du auf, so sprich zu Gott:
heute kommt vielleicht der Tod.
Legst du dich, so führ im Munde:
Heute kommt vielleicht die Stunde.
10 Stündlich sprich: In deine Hände,
Herr! befehl ich meinen Geist,
daß euch nicht ein schnelles Ende
unverhofft von hinnen reißt.
Selig, wer sein Hauß bestellt:
Gott kommt oft ohnangemeldt,
und des Menschen Sohn erscheinet,
zu der Zeit, da man's nicht meynet.
11 Das Gewissen schläft im Leben,
doch im Tode wacht es auf,
da sieht man vor Augen schweben
seinen ganzen Lebens-Lauf.
Alle seine Kostbarkeit
gäbe man zur selben Zeit,
wenn man nur geschehne Sachen,
ungeschehen könte machen.
12 Darum brauche deine Gaben
dergestalt in dieser Zeit,
wie du wünscht gethan zu haben,
wenn sich Leib und Seele scheidt.
Steben ist kein Kinder-Spiel:
wer im Herren sterben will,
der muß erstlich darnach streben,
wie man soll im Herren leben.
13 Diese Welt geringe schätzen,
allen Lastern widerstehn,
an der Tugend sich ergötzen,
willig Gottes Wege gehn,
wahre Lebens-Besserung,
stete Fleisches-Züchtigung,
sich verläugnen, und mit Freuden
Schmach um Christi willen leiden.
14 Das sind Regeln für Gesunde,
da man Zeit und Kräfte hat,
in der letzten Todes-Stunde
ist es insgemein zu spat.
Krankheit gleicht der Pilgrimschaft,
keines gibt dem Geiste Kraft,
beydes macht die Glieder müde,
und verstöhrt den Seelen-Friede.
15 Trauet nicht auf Seelen-Messen,
die man den Verstorbnen hält,
Todte werden bald vergessen,
und der Baum liegt wie er fällt,
Ach bestellt selbst euer Hauß,
machet hier die Sachen aus,
fremde Bitten und Gebäte
kommen hinten nach zu späte.
16 Sucht Gott selber zu versöhnen,
greiffet selbst nach Christi Blut,
kein Gebäte wird euch dienen,
das man nur zur Fröhne thut.
Denkt ihr selber in der Zeit
nicht an eure Sterblichkeit,
warlich, in der Grabes-Höle
sorgt kein Mensch für eure Seele.
17 Jetzund ist der Tag des Heiles,
und die angenehme Zeit,
aber leider! meistentheiles
lebt die Welt in Sicherheit.
Täglich rufft der treue Gott,
doch die Welt treibt ihren Spott,
ach die Stunde wird verfliessen,
und Gott wird den Himmel schliessen.
18 Da wird mancher erst nach Oehle,
bey des bräut'gams Ankunst gehn,
und da wird die arme Seele
vor der Thüre müssen stehn,
darum haltet euch bereit,
füllt die Lampen in der Zeit,
sonst erschallt das Lied am Ende:
Weicht von mir, ihr Höllen-Brände.
19 In dem ganzen Bibel-Buche
kommt mir nichts so schrecklich für,
als die Worte von dem Spruche:
Ihr Verfluchten, weicht von mir.
Seelig, wer davor erschrickt,
eh er noch den Tod erblickt.
Furcht und Zittern hier auf Erden
schafft daß wir dort seelig werden.
20 Hier in lauter Freude schweben,
macht im Tode lauter Noth;
aber auf ein traurig Leben
folgt ein freudenreicher Tod.
Drum mit dieser Welt hinweg,
achtet sie für Koth und Dreck,
und erhebet eure Sinnen,
daß sie Christum lieb gewinnen.
21 Tödtet eure bösen Glieder,
creutzigt euer Fleisch und Blut;
drückt die böse Lüst darnieder,
brecht dem Willen seinen Muth;
werdet Jesu Christo gleich,
nehmt sein Creutz und Joch auf euch;
daran wird euch Christus kennen,
und euch seine Jünger nennen.
22 Auf ein langes Leben harren,
da man täglich sterben kan,
das gehört vor einen Narren,
nicht vor einen klugen Mann.
Mancher spricht bey Geld und Guth:
Liebes Herz, sey wohlgemuth;
und in vier und zwanzig Stunden
ist die Seele schon verschwunden.
23 Ach wie ofte hört man sagen,
daß ein Mensch entleibet sey;
Ach wie mancher wird erschlagen,
oder bricht den Hals entzwey;
Einen andern rührt der Schlag
wohl im Sanf-und Spiel-Gelag;
mancher schlummert ohne Sorgen,
ind erlebet nicht den Morgen.
24 Feuer, Wasser, Luft und Erden,
Blitz und Donner, Krieg und Pest,
müssen unsre Mörder werden,
wenn es Gott geschehen läßt;
niemand ist vom Tode frey,
nur die Art ist mancherley,
ins gemein sind unsre Stunden
als ein Schatten-Werk verschwunden.
25 Nach Verfliessung dieses Lebens
hält Gott keine Gnaden-Wahl.
Jener Reiche rief vergebens,
in der Pein und in der Quaal.
Fremdes Bitten hilft euch nicht,
und wer weiß, obs auch geschicht:
also fallt in wahrer Busse
eurem Gotte selbst zu Fusse.
26 Sammlet euch durch wahren Glauben,
einen Schatz der ewig währt,
welchen euch kein Dieb kan rauben,
und den auch kein Rost verzehrt.
Nichts ist Ehre, nichts ist Geld,
Nichts ist Wollust, nichts ist Welt,
alles Trachten, alles Tichten,
muß man auf die Seele richten.
27 Freunde machet euch in Zeiten
mit dem Mammon, den ihr habt;
lasset von bedrängten Leuten
keinen Menschen unbegabt.
Christus nimmt die Wohlthat an,
gleich als wär es ihm gethan,
und der armen Bettler Bitten
hilft euch in des Himmels Hütten.
28 Euer Wandel sey im Himmel,
da ist euer Bürger-Recht.
Lebt in diesem Weltg-Getümmel,
unbekant, gerecht und schlecht,
flieht vor aller Sclaverey,
machet eure Seele frey,
daß sie sich in Gott erhebet,
und hier als ein Fremdling lebet.
29 Diese Gnade zu erlangen,
sparet das Gebäte nicht;
netzt mit Thränen eure Wangen,
biß daß Gott sein Herze bricht.
Rufet Jesu Christo nach,
wie er dort am Creutze sprach:
Vater, nimm an meinem Ende
Meine Seel in deine Hände.