1 So führst du doch recht selig, Herr, die Deinem;
ja selig! und doch meistens wunderlich!
Wie könntest du es böse mit uns meinen,
da deine Treu nicht kann verleugnen sich?
Die Wege sind oft krumm, und doch gerad,
darauf du läßt die Kinder zu dir gehn;
da pflegt es wunderseltsam auszusehn:
doch triumphirt juletzt dein hoher Rath.
2 Dein Geist hängt nie an menschlichen Gesetzen,
so die vernunst und gute Meinung stellt.
Den Zweifelsknoten kann dein Schwert verletzen
und lösen auf, nachdem es dir gefällt.
Du reißest wohl die stärksten Band entzwei;
was sich entgegensetzt, muß sinken hin;
ein Wort bricht oft den allerhärtsten Sinn:
dann geht dein Fuß auch durch Unwege frei.
3 Was unsre Klugheit will zusammenfügen,
theilt dein Verstand in Oft und Westen aus;
was Mancher unter Joch und Last will biegen,
setzt deine Hand frei an der Sternen Haus.
Die Welt zerrießt, und du verknüpfst in Kraft;
sie bricht; du baust; sie baut; du reissest ein;
ihr Glanz muß dir ein dunkler Schatten sein:
dein Geist bei Todten Kraft und Leben schafft.
4 Will die vernunst was fromm und selig preisen,
so hast du's schon aus deinem Buch gethan;
wem aber Niemand will dies Zeugniß weisen,
den führst du in der Still selbst himmelan.
Den Tisch der Pharisäer läßt du stehn:
und speisest mit den Sündern, sprichst sie frei.
Wer weiß, ws öfters deine Absicht sei?
Wer kann der tiefsten Weisheit Abgrund sehn?
5 Was Alles ist, gilt nichts in deinen Augen;
Was nichts ist, hast du, großer Herr! recht lieb.
Der Worte Pracht und Ruhm mag dir nicht taugen;
du giebst die Kraft und Nachdruck durch den Trieb.
Die besten Werke bringen dir kein Lob;
sie sind versteckt, der Blinde geht vorbei;
wer Augen hat, steht sie doch nicht so frei:
die Sachen sind zu klar, der Sinn zu grob.
6 O Herrscher, sei von uns gebendeiet,
der du uns tödtest und lebendig machst.
Wenn uns dein Geist der Weisheit Schatz verleihet,
so sehn wir erst, wie wohl du für uns machst.
DieWeisheit spielt bei uns: wir spielen mit,
bei uns zu wohnen ist dir lauter Lust;
die reget sich in deiner Vaterbrust,
und gängelt uns mit zarten kinderschritt.
7 Bald scheinst du hart und streng uns anzugreisen,
bald fährest du mit uns ganz säuberlich.
Geschicht's daß unser Sinn sucht auszuschweisen,
so weist die Zucht uns wieder hin auf dich.
Da gehn wir denn mit blöden Augen hin;
du küssest uns, wir sagen Bessrung zu;
drauf schenkt dein Geist dem Herzen wieder Ruh,
und hält im Zaun den ausgeschweisten Sinn.
8 Du kennst, o Vater, wohl das schwache Wesen,
die Ohnmacht und der Sinnen Unverstand;
man kann uns fast an unsrer Stirn ablesen,
wie es um schwache Kinder sei bewandt.
Drum greifst du zu, und hältst und trägest sie,
brauchst Vaterrecht und zeigest Muttertreu:
wo Niemand meint, daß etwas deine sei,
da hegst du selbst dein Schäfchen je und je.
9 Also gehst du nicht die gemeinen Wege;
dein Fuß wird selten öffentlich gesehn,
damit du siehst, was sich im Herzen rege,
wenn du in Dunkelheit mit uns willst gehn.
Das Widerspiel legt du vor Augen dar
von dem, was du in deinem Sinne hast;
wer meint, er hag den Vorsatz recht gefaßt,
der wird am End ein Anders oft gewahr.
10 O Auge, das nicht trug noch Heucheln leidet,
gieb mir der Klugheit scharfen Unterscheld,
dadurch Natur und Gnade wird entscheidet,
das eigne Licht von deiner Heiterkeit.
Laß doch mein Herz dich niemals meistern nicht;
brich ganz entzwei den Willen der sich liebt;
erweckt die Lust, die sich nur dir ergiebt,
und tadelt nie dein heimliches Gericht.
11 Will etwa die Vernunst dir widersprechen,
und schüttelt ihren Kopf zu deinem Weg,
so wollst du die Befestung niederbrechen,
daß ihre Höh sich nur bei Zeiten leg.
Kein fremdes Feuer sich in mir ennzünd,
das ich vor dir in Thorheit bringen möcht,
und dir wohl gar so zu gefallen dacht.
O selig, der dein Licht ergreift und findt.
12 So ziehe mich denn recht nach deinem Willen,
und trag und beg und führ dein armes Kind!
Dein innres Zeugniß soll den Zweisel stillen;
dein Geist die Furcht und Lüfte überwind.
Du bist mein Alles, denn dein Sohn ist mein;
dein Geist reg sich ganz kräftiglich in mir.
Ich brenne nun nach dir in Liebsbegier.
Wie oft erquickt mich deiner Klatheit Schein.
13 Drum muß die Vreatur mir immer dienen,
Kein Engel schämt nun der Gemeinschaft sich:
die Geister, die vor dir vollendet grünen,
sind meine Brüder, und erwarten mich.
Wie oft erquicket meinen Geist ein Herz,
das dich und mich und alle Christen liebt!
Ist's möglich, daß mich etwas noch betrübt?
Komm, Freudenquell! weich ewig aller Schmerz!
Source: Evang.-Lutherisches Gesangbuch #49