170. Geh aus, mein herz, und suche freud

1 Geh aus, mein herz, und suche freud,
In dieser lieben sommerzeit,
An deines Gottes geben:
Schau ander schönen gärten zier,
Und siehe, wie sie mir und dir
Sich aus geschmücket haben.

2 Die bäume stehen voller laub,
Das erdreich decket seinen staub
Mit einem grünen kleide.
Narcissen und die tulipan,
Die ziehen sich viel schöner an,
Als Salomonis seide.

3 Die lerche schwingt sich in die luft;
Die taube fliegt aus ihrer kluft,
Und macht sich in die wälder:
die hochbegabte nactigal
Ergetzt, und füllt mit ihrem schall
Berg, hügel, thal und felder.

4 Die glucke führt ihr völklein aus:
Der storch baut und bewohnt sein haus;
Die schwalde speißt die jungen.
Der schnelle hirsch, das leichte reh
Ist froh und kömmt aus seiner höh
Ins tiefe gras gesprungen.

5 Die bäche rauschen in dem sand,
Und mahlen sich in ihrem rand
Mit schatten-reichen morthen;
Die wiesen liegen hart dabey,
Und klingen ganz von lust-geschrey
Der schaaf und ihren hirten.

6 Die unverdroßne bienen schaar,
Fliegt hin und her, sucht hier und da
Ihr' edle honigspeise.
Des süssen weinstocks starker saft
Bringt täglich neue stärk und kraft
In seinem schwachen reise.

7 Der weizen wächset mit gewalt,
Darüber jauchzet jung und alt,
Und rühmt die grosse güte
Deß, der so überflüßig labt,
Und mit so manchem gut begabt
Das menschliche gemüthe.

8 Ich selber kan und mag nicht ruhn;
Des grossen Gottes grosses thun
Erweckt mir alle sinne.
Ich singe mit wenn alles singt,
Und lasse was dem höchten klingt,
Aus meinem herzen rinne.

9 Ach! denk ich, bist du hier so schön,
Und lässest uns so lieblich gehn
Auf dieser armen erden;
Was will doch wohl nach dieser welt,
Dort in dem vesten himmels-zelt
Und güldnen schlosse werden!

10 Welch hohe lust, welch hoher schein,
Wird wohl in Christi garten seyn!
Wie wird es dawohl klingen,
Da so viel tausend Seraphim,
Mit unverdroßnem mund und stimm,
Ihr halleluja singen!

11 O wär ich da, o stünd ich schon,
Ach! süsser Gott, vor deinem thron,
Und trüge meine palmen!
So wolt ich nach der engel weis;
Erhöhen deines namens preis
Mit tausend schönen psalmen.

12 Doch gleichwohl will ich, weil ich nach
Hier trage dieses leibes joch,
Auch nicht gar stille schweigen:
Mein herze soll sich fort und fort,
An diesem und an allem ort,
Zu deinem lobe neigen.

13 Hilf mir, und segne meinen geist
Mit segen, der vom himmel fleußt,
Daß ich dir stetig blühe.
Gib daß dir sommer deiner gnad
In meiner seelen früh und spat
Viel glaubens-frücht erziehe.

14 Mach in mir deinem geiste raum,
Daß ich dir werd ein guter baum,
Und laß mich wohl bekleiden:
Verleihe, daß zu deinem ruhm,
Ich deines gartens schöne blum
Und pflanze möge bleiben.

15 Erwähle mich zum paradeis
Und laß mich bis zur letzten reis'
An leib und seele grünen:
So will ich dir und deiner ehr
Allein und sonsten keinem mehr,
Hier und dort ewig dienen.

Text Information
First Line: Geh aus, mein herz, und suche freud
Language: German
Publication Date: 1826
Topic: Von der Schöpfung; Creation
Notes: Mel. Kommt her zu mir, spr.
Tune Information
(No tune information)



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