578. Komm, sterblicher! betrachte mich

1 Komm, sterblicher! betrachte mich,
Da lebst, ich lebt' auf erden,
Was du jetzt bist, das war auch ich,
Was ich bin, wirst du werden.
Du must hernach, ich bin vorhin,
Gedenke nicht in deinem sinn,
Das du nicht dürfest sterben.

2 Bereite dich, stirb ab der welt,
denk an die letzten stunden
Wenn man den tod verächtlich hält,
Wird er sehr oft gefunden.
es ist die reihe heut an mir,
Wer weiß vielleicht gilts morgen dir,
Ja wohl noch diesen abend.

3 Sprich nicht: Ich bin noch gar zu jung,
Ich kan noch lange leben;
Ach nien, du bist schon alt genung,
Den Geist von dir zu geben.
Es ist gar bald um dich gethan
Es sieht der tod kein alter an;
Wie magst du anders denken?

4 Ach ja, es ist beklagenswerth,
Es ist wohl zu beweinen,
Das mancher nich sien hiel begehrt,
Das mancher mensch darf meynen,
Er sterbe nicht in seiner blüht,
Da er doch viel exempel sieht,
Wir junge leute sterben.

5 So viel du athmest, muß ein theil
Des lebens von dir wehen;
Und du verlachst des todes pfeil?
Jetzt wirst du müssen gehen.
Du hältst dein grab auf tausend schritt,
Und hast darzu kaum einen tritt;
Den tod trägst du im busen.

6 Sprich nicht: Ich bin frisch und gesund,
Mir schmeckt auch noch das essen;
Ach! es wird wohl jetzt diese stund
Dein sarg dir abgemessen,
Es schneidet dir der schnelle tod
Ja täglich in die band das brod:
Bereite dich zum sterben.

7 Dein leben ist ein rauch ein schaum,
Ein wachs, ein schnee, ein schatten,
Ein thau, ein laub, ein leerer traum,
Ein gras auf dürren matten:
Wenn man am wenigsten gedacht,
So heißt es wohl zu guter nacht:
Ich bin nun hier gewesen.

8 Indem du lebest, lebe so,
Daß du kanst selig sterben,
Du weißt nicht, wenn, wie oder wo,
Der tod um dich wird weben;
Ach denk, ach denke doch zurück,
Ein athemzug, ein augenblick
Führt dich zu ewigkeiten.

9 Du sey'st denn fertig oder nicht
So must du gleichwohl wandern,
Wenn deines lebens ziel anbricht,
Es geht dir wie den andern;
Drum laß dirs eine warnung seyn:
Dein aufersteh'n wir überein
Mit deinem sterben kommen.

10 Ach denke nicht: Es hat nicht noth,
Ich will mich schon bekehren,
Wenn mir die krankheit zeigt den tod,
gott wird mich schon erhören;
Wer weiß ob du zur krankheit kömmst,
Ob du nicht schnell ein ende nimst;
Wer hilft alsdenn dir armen?

11 Zudem, wer sich in sünden freut,
Und doch auf gnade bauet,
Der wird mit unbarmherzigkeit
Der höllen anvertrauet:
Drum lerne sterben, eh du stirbst,
Damit du ewig nicht verdirbst,
Wenn Gott die welt wird richten.

12 Zum tode mache dich geschickt,
Gedenk in allen dingen:
Werd ich hierüber hingerückt,
Sollt es mir auch gelingen?
Wie könt ich jetzt zu grabe gehn?
Wie könt ich jetzt vor Gott bestehn?
So wird dein tod zum leben:

13 So wirst du, wenn mit feld-geschrey
Der grosse Gott wird kommen,
Von allem sterben los und frey,
Seyn ewig eingenommen.
Bereite dich, auf das dein tod
Beschliesse deine pein und not.
O mensch! bedenk das ende.

Text Information
First Line: Komm, sterblicher! betrachte mich
Language: German
Publication Date: 1826
Topic: Vom Tode und der Auserstehung; Death and Resurrection
Notes: Mel. Es ist gewißlich an der.
Tune Information
(No tune information)



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